Der Spross aus der gleichnamigen Unternehmerfamilie in Bregenz hat sich in Zürich mit einem Beratungsunternehmen selbständig gemacht und sich einem Thema verschrieben, das 1. direkt mit unserem Thema Marke und Kommunikation zusammenhängt und 2. oft leider zu wenig Beachtung findet, obwohl es auf der Prioritätenliste ganz oben stehen sollte. Die Rede ist von Unternehmenskultur.
Culture Map
Simon Sagmeister beschäftigt sich seit beinahe 20 Jahren mit der Unternehmenskultur unterschiedlicher Organisationen und Unternehmen. Er hat im Laufe der Jahre ein Modell entwickelt, das sieben verschiedene Kulturformen beschreibt. Sie sind die Basis für seine „Culture Map“. Und diese wiederum dient als Grundlage für Unternehmen, sich mit ihrer eigenen Kultur zu beschäftigen, diese transparent und verständlich für Mitarbeiter und andere Stakeholder zu machen und vor allem, um daran weiterzuarbeiten. Wie viele andere Gewerke und Prozesse verändert sich in jedem Unternehmen auch die Kultur im Laufe der Jahre. Das passiert ganz automatisch, ohne Zutun. Einfach dadurch, dass sich das Geschäftsfeld entwickelt, die Organisation wächst, Mitarbeitende kommen und gehen, Märkte und Kunden sich verändern etc. Diesen Prozess, nämlich die Veränderung der Unternehmenskultur, kann man einfach passieren lassen. Oder man kann ihn im Auge behalten und bewusst entwickeln. Letzteres führt auf jeden Fall eher dazu, dass sich Unternehmen treu bleiben, am Markt – neben ihrer Erscheinung als Marke – als Unternehmen konstant und fassbar wahrgenommen werden und somit auch für die Mitarbeitenden Orientierung und Sicherheit schaffen.
Von Farben und Formen
Sagmeister spricht vom Eisbergmodell, um dies zu verdeutlichen: Sichtbar ist das, was man an der Oberfläche wahrnimmt. Aber darunter, als Basis des Oberflächenbildes, sind Einstellungen, Wahrnehmungen, Überzeugungen, Mentalitäten, Glaube und Werte verantwortlich für das Wahrgenommene. Also all das, warum die Menschen in einem Unternehmen das tun, was sie tun. Zu sehen bekommt man an der Oberfläche was sie zu tun behaupten und was sie tatsächlich tun. Die verschiedenen Kulturtypen, die das Handeln – und damit die Wahrnehmung durch Dritte – bestimmen, beschreibt Sagmeister sehr plastisch, gibt ihnen die Form von farbigen Hexagonen und ordnet sie an einer Achse in zwei Gruppen: individualistische, dynamisierende und gruppenorientierte, stabilisierende Werte.
So beschreibt er etwa die violette Kultur der Sippschaften oder die rote Welt des Dschungels. Ordnung, Regeln und Strukturen dominieren die blaue Kultur. Die orange ist geprägt von Wettbewerb und Leistung. Grün ist auf Harmonie bedacht und rückt den Menschen ins Zentrum. Gelb hingegen strebt nach Freiheit auf Basis von Wissen und Neugierde. Und die Farbe Aqua beschreibt eine Kultur, in der die Welt als ganzheitliches System von komplexen Organismen beschrieben wird.
Wichtig: Nie ist in einer Unternehmenskultur nur eine Farbe vertreten. Es zeigt sich immer eine Mischung aus den sieben verschiedenen Kulturtypen. Bei der Culture Map, die Simon Sagmeister mit seinen Kunden erarbeitet, entsteht so ein Bild, das entlang der Achse aus unterschiedlich großen Hexagonen besteht – je nachdem, welche Kulturform wie stark ausgeprägt ist. Diese Nullmessung ist die Basis für den eigentlichen Entwicklungsschritt. Sie ist idealerweise eine Schnittmenge aus Eigenwahrnehmung und Fremdbild, also einer Bestandsaufnahme im Unternehmen selbst und der Befragung von externen Stakeholdern zur wahrgenommenen Kultur.
Und was hat das alles mit unserem Thema Marke & Kommunikation zu tun?
Die Unternehmenskultur dockt direkt an der Strategie an sowie an der Organisation und der Führung. Und nicht umsonst heißt es: „Culture eats strategy for breakfast.“ Wenn Strategie, Organisation und Führung nicht auf einer klaren und schlüssigen Unternehmenskultur basieren, dann wird sich das bei der Marke und deren Kommunikation nach außen sehr schnell und sehr schmerzhaft zeigen. Dann wird es nämlich zu einem Wahrnehmungsbruch zwischen „Gesagtem“ und „Gefühltem“ kommen. Dann werden Markenwerte wie alter Verputz von der Fassade bröckeln und die ausgesendeten Botschaften als Worthülsen verpuffen.
In der Praxis
Ein simples Beispiel: Wenn von einem High-Tech-Unternehmen 100 % Fehlerfreiheit und Verlässlichkeit auf die Fahne geschrieben und nach außen kommuniziert und vom Vertrieb im Verkauf postuliert wird, dann sollte diese Null-Fehler-Kultur mit absoluter Servicebereitschaft auch in der Kultur des Unternehmens verinnerlicht sein. Oder wenn ein Lebensmittelproduzent mit Regionalität und Nachhaltigkeit wirbt, dann sollten die Eier besser nicht aus Polen kommen. Dies wäre wohl ein Widerspruch zu einer Kultur der Ehrlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Bekenntnis zur Region.
Simon Sagmeister räumt also der Unternehmenskultur zurecht einen absolut prioritären Stellenwert ein. Und er macht in seinem Buch nicht nur einen umfassenden Blick unter die Oberflächenlinie des Eisberges, sondern gibt auch klare Hilfestellung bei der Erstellung und Bearbeitung der eigenen Culture Map.
Dreifacher Nutzen
Insofern ist dieser Blogbeitrag von dreifachem Nutzen – falls Sie bis hierher gelesen haben: 1. Sie haben einen guten Buchtipp erhalten. 2. Sie haben einen Anstoß bekommen, sich doch mal (wieder) mit Ihrer Unternehmenskultur zu beschäftigen. Und 3. Sie haben Gewissheit, dass Weber, Mathis + Freunde nicht nur einfach Kosmetikkommunikation macht, sondern unterhalb der Wasseroberfläche beginnt – dort wo es sich entscheidet, ob eine Marke und ihre Kommunikation erfolgreich ist oder nicht.
Gerne schauen wir uns auch Ihren Eisberg an.