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Hat meine Nase Gefühle?

Thema Corporate Identity und Werbung
Gebloggt von Andreas Mathis
Gelesen in 5 Minuten
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First things first

Half way point

Endspurt

Die Antwort gleich vorweg: Nein, aber über Umwege erzeugt sie welche. Dazu eine kleine Geschichte: Als 1989 das 630 Millionen Dollar Hotelprojekt „The Mirage“ in Las Vegas seine Pforten für Spieler aus der ganzen Welt öffnete, duftete es im ganzen Casinobereich dezent, aber durchaus wahrnehmbar nach Sonnenmilch. Dafür verantwortlich war Steve Wynn, der Hoteldirektor des Mirage.

Er stellte fest, dass ein Duft wie jener von Kokosöl in den Menschen Urlaubsgefühle und Sehnsüchte auslöst und sie damit verstärkt zum Spielen animiert – vielleicht um sich die Träume zu erfüllen, vielleicht auch um in der gelösten Stimmung einfach ein wenig Spaß zu haben. Noch heute wird das Mirage mit demselben Konzept beduftet, das übrigens zahlreiche Nachahmer unter den Hotels in der Spielerstadt gefunden hat.

Die Idee von Wynn ist vielleicht nicht die Geburtsstunde des Duftmarketing, aber mit Sicherheit eine der am häufigsten beschriebenen Erfolgsstories – ähnlich wie jene von Abercrombie & Fitch. Sie subsummiert auch die wesentlichen Erfolgsfaktoren von olfaktorischen Stimuli: Guter Duft hebt die Stimmung, man fühlt sich wohl und hat Lust, länger zu verweilen. Es entstehen Bilder mit Bezug zur eigenen Geschichte im Kopf und damit auch Sehnsüchte, die für mehr Konsum sorgen. Duft kann die unterschiedlichsten Gefühle und Assoziationen adressieren und unterstützen. Und er bleibt in Erinnerung, was in der Regel für wiederholte Besuche sorgt. Kurzum, die Kundenzufriedenheit steigt ebenso wie die Frequenz und der Pro-Kopf-Umsatz.

Dies sind keinesfalls einfach so dahingeschriebene Behauptungen, sondern Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen mit verschiedenen Probanden, unterschiedlichen Locations und Duftkonzepten. Die medizinisch objektive Erklärung hierfür liefern uns die Neurowissenschaften. Gerüche werden im menschlichen Gehirn direkt im limbischen System und im Hypothalamus gespeichert, jenem Bereich, der für die Emotionen verantwortlich ist. Über die Nasenschleimhaut und die dort befindlichen rund 25 Mio. Riechzellen mit ihren etwa 400 Rezeptoren werden die Gerüche via Rezeptorproteine an die Nervenzellen im olfaktorischen System weitergeleitet. Die eigentliche Riechempfindung, die mit Emotionen, Erinnerungen etc. verbunden ist, wird dann im alten kortikalen System im Gehirn ausgelöst. Wir Menschen können übrigens rund 10.000 unterschiedliche Gerüche wahrnehmen – und das bereits fast vollumfänglich von Geburt an.

Kompliziert und doch ganz einfach

Klingt alles sehr komplex. Ist es auch. Aber im Grunde ist es einfach, wenn man ein kleines Selbstexperiment macht: Einfach mal die Augen schließen und an jenen Geruch denken, der als Erinnerung an den letzten Urlaub sofort ins Gedächtnis kommt. Und dann darauf achten, welche Gefühle sich stante pede einstellen. Millward Brown und Martin Lindstrom haben in einer fünfjährigen Studie herausgefunden, dass 75 % unserer alltäglichen Gefühle von Gerüchen beeinflusst werden. Sie wecken Erinnerungen und Assoziationen, weit stärker als das Gehör.

Die Bewertung von Düften ist übrigens nicht genetisch festgelegt, sondern gründet rein auf Erfahrung und Erlebtem. Dabei können, wie auch in der Farbpsychologie, durchaus Gemeinsamkeiten bei bestimmten Düften ausgemacht werden. So wird etwa Zitrus mit Frische assoziiert, Lorbeer steht für Vertrauen, Vanille löst Wohlbefinden aus, Jasmin weckt Frühlingsgefühle, Moschus ist erotisch konnotiert.

Und was heißt das jetzt?

All diese Erkenntnisse machen sich Unternehmen und Marken zunutze, um so, wie mit ihrem Farbcode, einer eigenen Typo oder einem akustischen Logo, auch durch Duft eine individuelle, typische Identität zu schaffen und für ihre Kunden in bestimmten Situationen ein bestimmtes Gefühl zu erzeugen. So nützen etwa Senioren- oder Gesundheitseinrichtungen beruhigende Düfte, um Ängste, Stress und Sorgen zu mindern. Modeketten schaffen eine Atmosphäre abgestimmt auf das Sortiment – von wohlig bis sportlich. Fitnesscenter arbeiten oft mit hellen, belebenden Düften, um die mentale Kraft und den Willen sich anzustrengen zu unterstützen. Und wie schon eingangs erwähnt, verstärken Hotels mit bestimmten Düften das Urlaubsgefühl. Abgesehen davon werden Düfte auch zur Neutralisierung von schlechten Gerüchen eingesetzt.

In Wien Neubau gibt es einen Parfümeur, den wir für einen Magazinbeitrag letztes Jahr interviewt haben. Er entwickelt kundenspezifische Raumdüfte und hat uns von einem Projekt in Tirol erzählt, wo er in einer Pflegeeinrichtung, belegt durch die Befragung von Bewohnern und Personal, den Wohlfühlfaktor durch den Einsatz eines bestimmten Duftes merklich steigern konnte. Ein anderes Projekt war die olfaktorische Begleitung einer Produktpräsentation für einen großen Softdrinkhersteller. Die Dramaturgie sah vor, dass es nichts zu verkosten geben sollte, sehr wohl aber die Spannung und Vorfreude bei den Mitarbeitenden entsprechend angekurbelt werden sollte. So entwickelte er einen Duft, der im Saal jenen des Produkts imitierte und erzielte damit einen überraschenden positiven Effekt beim Publikum bezogen auf die Bewertung des Vorgestellten und die Bereitschaft, sich für das Neue ins Zeug zu legen.

Unser Fazit

Bei allen Möglichkeiten, die uns die digitalen Medien bereitstellen und bei allen Zutaten, die wir im Rahmen von Branding und Kommunikation für eine Marke definieren und entwickeln, lohnt es sich dennoch, an alt bewährte Mittel und Medien zu denken, die Kraft von Neuromarketing zu nützen und die Nasen der Kunden für Markenwahrnehmung, Assoziation und Identifikation nicht zu vergessen. Botschaften und Bilder haben oft eine nicht allzulange Halbwertszeit. Aber die Nase riecht, solange wir atmen. Und die Gerüche sind für immer in unserem olfaktorischen Speicher abgelegt.

Links

„Die geheime Macht der Düfte: Warum wir unserem Geruchssinn mehr vertrauen sollten.“ von Robert Müller-Grünow gibt es gebunden und als ebook bei derbuchhaendler.at

„Duftmarketing – wie verführbar sind wir?“ auf dw.com

„Brand Sense – Warum wir Marken fühlen, riechen, schmecken, hören und sehen können“ von Martin Lindstrom gibt es gebunden bei derbuchhaendler.at „Wie uns die Industrie mit Gerüchen zum Kauf verführt“ auf welt.de

Kudos

Typomagie – die Macht der Buchstaben

Jeden Tag flimmern Millionen von Buchstaben über unsere Netzhaut. Das Gelesene nehmen wir dabei unterschiedlich wahr – maßgeblich beeinflusst von den kleinen und großen Details jener Schriftart, in der die Wörter gesetzt sind. Geleitet werden wir von der optischen Wirkung der Typografie – und die ist mächtiger, als wir denken.

Sprich mit mir!

Zuallererst müssen wir ein Geständnis ablegen: Wir sind totale Fans von Kommunikation. Wir lieben Kommunikation und versuchen bei jeder Gelegenheit, für Kommunikation eine Lanze zu brechen. Das ist natürlich nicht ganz uneigennützig, denn wir leben ja schließlich davon, dass kommuniziert wird. Also irgendwie logisch.

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